Politiker, Datenschützer, Verlagslobbys und Bürgerinitiativen führen seit langem einen erbitterten Kampf gegen US-Internetriesen. Im Vorfeld der EU-Parlamentswahl fordert ARD-Chef Ulrich Wilhelm staatlich subventionierte Alternativdienste für Europa. Doch ist dieser Vorschlag realistisch?
Egal ob Google, Amazon, Netflix oder Facebook; US-Tech-Giganten stellen Öffentlichkeit und Politik vor ein Dilemma. Einerseits scheint ein Leben ohne kostenfreien Paketdienst, optimierte Suchmaschinenergebnisse, kostenlosen Messenger und werbefreie Marathon-Unterhaltung kaum noch vorstellbar – andererseits bildet jedes dieser Unternehmen ein Quasi-Monopol und akkumuliert und handelt massiv mit Nutzerdaten, die sowohl zu Werbezwecken als auch zur Wahlmanipulation eingesetzt werden. Und zu allem Überfluss zahlen sie kaum bis gar keine Steuern. Amazon hat für das Steuerjahr 2018 sogar Rückzahlungen von der US-Steuerbehörde erhalten. Der Kampf gegen US-Internetriesen scheint berechtigt, aber ist er zu gewinnen?
Die Stärke der Internetriesen besteht in ihrer Alternativlosigkeit und die liegt auch in der Natur der Sache. Algorithmen basieren auf dem Prinzip des maschinellen Lernens. Sie funktionieren desto besser, umso mehr Daten sie verarbeiten. Das heißt, Wettbewerb würde in diesem Markt tatsächlich zu schlechteren Ergebnissen und weniger Effizienz führen. Der Kampf gegen US-Internetriesen scheint aussichtslos. Doch was ist die Alternative?
ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm rief Mitte April öffentlich dazu auf, im Kampf gegen US-Internetriesen eine mit staatlichen Mitteln unterstützte alternative digitale Infrastruktur in Europa aufzubauen. Selbst wenn diese mit den technischen Voraussetzungen der US-Riesen mithalten könnte und genauso viele Nutzer diese Dienste verwendeten, müssten sie zwei Jahrzehnte maschinelles Lernen nachholen. Auch Ulrich Wilhelm sieht die Haupthürde darin, Nutzer von Google und Co. weg und hin zu den alternativen Diensten zu bewegen. Den Vorschlag Andreas Scheuers, die staatliche Unterstützung aus Rundfunkbeiträgen zu finanzieren, wies der BR-Intendant zurück. Er hofft auf die kommenden EU-Wahlen.
Spätestens seit dem Cambridge-Analytica-Skandal, der US-Wahl und dem Brexit gehört das Thema zu den Top-Prioritäten der europäischen Politik. Der französische Präsident Emannuel Macron forderte in seiner Rede vor den EU-Abgeordneten 2018 eine gemeinsame Digitalstrategie im Kampf gegen US-Internetriesen, eine neue Datenschutzbestimmung und eine Urheberrechtsreform wurden im Parlament beschlossen und die EU-Kommission verhängt derweil fleißig Strafgelder wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts. Im Vorfeld der Parlamentswahlen verstärkt die EU den Kampf gegen US-Internetriesen.